Wir von das da unten freuen uns über mitwirkende Gastautor:innen! Mit dem Blog möchten wir eine Platform bieten, auf der persönliche Erlebnisse, Gedanken sowie Ideen ausgetauscht werden. Es kann gut sein, dass wir von das da unten nicht immer der gleichen Meinung, wie unsere Gastautor:innen sind. Solange die Inhalte jedoch nicht diskriminierend sind oder problematische Anregungen schaffen, begrüssen wir einen offenen Diskurs.
Im Allgemeinen ist sexuelle Aufklärung für mich als Sozialpädagoge ein wichtiger Teil meiner Arbeit mit Jugendlichen unterschiedlichen Geschlechts. Die Auseinandersetzung damit bietet mir ebenso die Möglichkeit, mich persönlich weiterzuentwickeln sowie mich in der Beziehung mit meiner Partnerin, in sexuellen Belangen sicherer zu fühlen.
Als regelmässiger Besucher auf dasdaunten.com bin ich auf folgende drei Anliegen gestossen: Mehr Vulva-Präsenz in der Öffentlichkeit, Enttabuisierung des weiblichen Geschlechtsteils und die bereits erwähnte Aufklärung. Dies sind für mich alles logische und verständliche Anliegen, welche notwendig sind, damit sich unsere Gesellschaft in der Gleichstellungsfrage weiterentwickelt. Ich finde es bedenklich, wie heutzutage noch immer die weibliche Lust in ein negatives Licht gerückt wird, während Lust zu haben beim Mann als typische Eigenschaft betrachtet wird und somit automatisch gesellschaftlich toleriert ist. Für mich einer von vielen möglichen Gründen, dass der Penis in der Öffentlichkeit präsenter ist als die Vulva. Bei der Aufklärung jedoch, sehe ich auch beim männlichen Geschlecht Aufholbedarf. Denn aus meiner Sicht ist – trotz Phalluskult – das Wissen von Männern über das eigene Geschlechtsorgan oft nur sehr plakativ und oberflächlich. Gleiches gilt für die Enttabuisierung. An Beispielen aus meiner persönlichen Erfahrung mangelt es mir nicht.
Ich musste 25 Jahre alt werden, um von meiner jüngeren Schwester zu erfahren, dass Sitzheizung im Auto schlecht für die Fruchtbarkeit des Mannes ist. Da die Hoden (die männlichen Geschlechtsdrüsen) – welche für eine konstante Kühlung, anatomisch sinnvollerweise ausserhalb des Körpers angesiedelt sind – sonst zu viel Wärme abbekommen. Mir war zwar bewusst, dass ein heisses Bad im Vorspiel die Potenz des Mannes hemmen kann, weshalb wusste ich jedoch nicht. Mir sei verziehen, meine Schwester arbeitet in der Pflege und hat so einen fachlichen Vorteil. Dennoch löste es Bedenken bei mir aus, dass sie mehr über mein Geschlechtsteil weiss als ich.
Eine andere Situation habe ich in einer Männerrunde unter Freunden (alle gut 20) erlebt. Einer dieser Männer hat da aus dem Nichts der Gruppe erzählt, dass er einen Pendelhoden habe. Da diese Information sehr überraschend kam und diesem Freund der Charakterzug anhaftet, gerne humorvoll im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, wurde seine Aussage mit grossem Gelächter quittiert. Näher darauf eingegangen ist jedoch niemand. Meine Vermutung: Verunsicherung. Ich hörte da den Begriff Pendelhoden zum ersten Mal, konnte mir aufgrund persönlicher Erfahrung jedoch schnell zusammenreimen, dass es der Zustand ist, wenn die Hoden sich, bspw. Aufgrund von Kälte in den Leistenkanal zurückziehen. Darüber gesprochen habe ich bis heute mit keinem der besagten Freunde.
Mir ist bewusst, dass dies Alltagstheorien sind, welche aus meiner persönlichen Erfahrung stammen und somit nicht generell auf das männliche Geschlecht bezogen werden können. Aber der Fakt, dass ein solches Thema in einer sich vertrauten Männerrunde zu mehr Belustigung als angeregter Diskussion führt, bestätigt für mich meine Behauptung, dass, zumindest in meinem Umfeld, in der Aufklärung beim Mann noch einiges getan werden muss. Ebenso, dass ständige Schwanzvergleiche halt nicht reichen, um uns Männern das Selbstvertrauen für eine ernsthafte Auseinandersetzung in Bezug auf unser Geschlechtsteil zu geben.
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