Ein Gespräch mit Yuvviki Dioh, Kommunikationswissenschaftlerin mit einem Abschluss in Gender Studies.
Wie definieren Sie weiblich*/Weiblichkeit*?
Ich versuche «Weiblichkeit» so gut es geht wenn dann flexibel zu definieren, da ich ehrlich gesagt nicht weiss, was genau «weiblich» sein soll. Fixe gesellschaftliche Vorstellungen von «Weiblichkeit» (bestimmter Kleidungsstil, bestimmtes Essverhalten, bestimmtes Verhalten etc.) lehne ich grundsätzlich ab, obwohl ich wahrscheinlich einiges davon (unbewusst) reproduziere.
Wann, von wem und unter welchen Umständen wurden Sie aufgeklärt?
Da ich bereits mit 10 meine Periode bekam, wurde ich von meiner Mutter sehr früh aufgeklärt. Sie hat mir zwei oder drei altersgerechte Bücher geschenkt, die (stark in der Geschlechter-Binarität verankert) den «männlichen» wie auch «weiblichen» Körper und den Sexualakt (in einem der Bücher liebevoll als «Liäbi mache» betitelt) erklärt haben.
Was sollten wir über das weibliche* Geschlecht wissen?
Alles, was es noch zu wissen gibt. Und nicht nur zum «weiblichen Geschlecht» sondern zu allen Geschlechtern. Auch wenn es uns teilweise von naturwissenschaftlicher Seite oft anders suggeriert wird, wissen wir eigentlich noch nicht viel über die menschlichen Geschlechter, wie sie genau zu Stande kommen und wie viele es gibt (bspw. «Männer» mit XXY…). Wir müssen uns bei der Erforschung unserer Körper von gesellschaftlichen Werthaltungen und Vorstellungen so gut es geht befreien, um uns nicht vor neuen, wichtigen Erkenntnissen zu verschliessen. Nur so werden wir der Komplexität des Menschen (auch im biologischem Sinne) und überhaupt aller Lebensformen gerecht.
Welchen Mythen begegnen Sie immer wieder?
Ich begegne immer wieder dieser Vorstellung, dass Frauen* absolut von ihren Hormonen abhängig sind bzw. gesteuert werden und deshalb die Pille / der Nuva-Ring auch nicht gut ist. Der Mythos, dass eine Frau natürlich sein muss (d.h. nicht hormonell verhüten soll) um «richtig» bzw. «gesund» zu leben finde ich – wenn auch absolut diskutabel – politisch etwas gefährlich und ignoriert die soziokulturellen Errungenschaften hormoneller Verhütung für Frauen*. Dabei darf natürlich auch nicht vergessen werden, dass hormonelle Behandlungen aller Art ein grosser Eingriff sein können und dementsprechend auch Effekte haben können. Schlussendlich kommt es auf die spezifischen Körper an.
Wie nennen Sie ihr Geschlechtsteil?
Mein Geschlechtsteil hat einen liebevollen Namen, den ich lieber für mich behalten will 😊.
Welchen Tabuthemen begegnen Sie in Ihrem (Berufs)Alltag?
In meinen Berufsalltag spreche ich eigentlich nicht andauernd über meine Geschlechter-Identität und/oder meine Geschlechtsteile. Was für Tabu-Themen meine ArbeitskollegInnen* haben, kann ich nicht beurteilen.
Im Alltag gibt es manchmal extra kindischen Ekel, wenn ich mal von der Stärke meiner Blutungen spreche 😊.
«Das Private ist politisch» – welche Strategien zur Enttabuisierung dieser Themen gibt es?
Eine gute Enttabuisierungs-Strategie (wie auch bei Mental Health Fragen etc.) ist es bei privaten Gesprächen wie auch in (semi-)öffentlichen Debatten möglichst ungeniert und vorurteilsfrei die Themen anzugehen. Das ist natürlich einfacher getan als gesagt. Wir müssen mehr öffentliche (Diskurs-)Räume schaffen, die eine Stigma-freie Diskussion dieser Themen erlaubt (etwa über Online-Foren, öffentlichen Talks, Themen-Abende, aber auch Theater etc.).
Wir von das da unten freuen uns über mitwirkende Gastautor*innen! Mit dem Blog möchten wir eine Platform bieten, auf der persönliche Erlebnisse, Gedanken sowie Ideen ausgetauscht werden. Es kann gut sein, dass wir von das da unten nicht immer der gleichen Meinung, wie unsere Gastautor*innen sind. Solange die Inhalte jedoch nicht diskriminierend sind oder problematische Anregungen schaffen, begrüssen wir einen offenen Diskurs.
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