Wir von das da unten freuen uns über mitwirkende Gastautor:innen! Mit dem Blog möchten wir eine Platform bieten, auf der persönliche Erlebnisse, Gedanken sowie Ideen ausgetauscht werden. Es kann gut sein, dass wir von das da unten nicht immer der gleichen Meinung, wie unsere Gastautor*innen sind. Solange die Inhalte jedoch nicht diskriminierend sind oder problematische Anregungen schaffen, begrüssen wir einen offenen Diskurs.
Meine Freunde und ich sprechen sehr viel über Sex und oftmals kommt das Thema des weiblichen* Orgasmus, respektive der weiblichen* Ejakulation, auf. In meiner ersten Beziehung wurde mir von meinem damaligen Freund vermittelt, dass "Squirting" – also die weibliche* Ejakulation – das Allergeilste sei und nur wenige Frauen dazu fähig seien. Ich habe mich niemals zu den Frauen gezählt, die dies konnten, geschweige denn wollten. Nach meiner Google-Recherche war ich ein wenig irritiert, da dort erklärt wurde, dass die weibliche* Ejakulation überhaupt nicht erforscht sei. Man wisse nicht, woher genau die Flüssigkeit komme, nur, dass sie zu einem grossen Teil aus Urin bestehen soll. Die Vorstellung ekelte mich… Pipi während dem Sex? Und das soll der absolute Höhepunkt der Frau sein? Wie schräg ist das denn?!
Ich habe das dann lange verdrängt und nicht mehr gross daran gedacht. Eines Tages kam ich beim Sex an einen Punkt, an dem ich mich nicht mehr richtig kontrollieren konnte und erlebte einen sehr speziellen Orgasmus. Er schien nicht mehr aufhören zu wollen und fühlte sich vollkommen anders an als meine bisherigen Höhepunkte – viel weicher, viel emotionaler. Als ich aus meiner gefühlt ewigen Trance aufwachte, erschrak ich sehr und eine Millisekunde später kam ein unheimlich starkes Schamgefühl in mir hoch – und damit auch Tränen. Denn: die ganze Matratze war nass. Ich schaute meinen Freund an und verstand, was passiert war… Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Ich hatte meine erste Ejakulation erlebt.
Dieses Ereignis hat mich lange sehr stark blockiert und ich versuchte meine Orgasmen von da an immer ein wenig einzudämmen und achtete darauf nicht völlig die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren, da ich ansonsten ein nasses Bett befürchtete. Diese Zurückhaltung ist sehr ungesund und sehr schade, das kann ich euch sagen! Erst ungefähr ein Jahr später kam ich wieder an einen ähnlichen Punkt. Ich erkannte das Gefühl sofort und wollte mich schon zurückziehen. Mein Freund jedoch insistierte und trug mich in die Dusche. Ich brauchte unheimlich viel Mut um loszulassen und meinen Körper und dieses Gefühl zu geniessen. Ich fühlte mich verletzlich und dies flösste mir Angst ein. Und doch war es das allerschönste Gefühl. Ich lernte mich dadurch von einer neuen, unbekannten Seite kennen.
Nun, was ich damit sagen will – ich denke nicht, dass gewisse Frau* ejakulieren können und andere nicht. Von Männern* sagt man dies ja auch nicht. Und doch stosse ich immer wieder auf verwunderte Augen, wenn ich erzähle, dass ich 4-5 Mal eine Ejakulation hatte. “Wie machst du das?” oder “Da krieg ich ja direkt Bedenken was mein Sexleben angeht”. Diese Reaktionen wecken ein unschönes Gefühl in mir. Ich glaube nicht daran, dass eine weibliche* Ejakulation etwas Alltägliches ist – muss sie auch nicht sein. Aber ich glaube auch nicht, dass sie nur wenige Frauen* vorbehalten ist. Meine persönliche Meinung ist, dass wir Frauen* oftmals zu grosse Hemmungen haben, loszulassen und sich dem eigenen Körper hingeben zu können. Wir denken zu viel darüber nach, was das Gegenüber denkt. Was schön und sexy ist und was komisch und unerotisch.
Ich habe mich in den vergangenen Jahren langsam an den Begriff «Tantra» herangetastet und schliesslich vor ein paar Monaten ein sehr interessantes Buch gefunden. Darin fand ich meine Gedanken zum oben beschriebenen Thema immer wieder bestätigt. Fernab eines schmuddeligen Sex-Lehrbuches wird unheimlich inspirierend beschrieben, wie man Akzeptanz und Selbstliebe (Diese Aufzählung ist nicht abschliessend) aus einer neuen Perspektive betrachten und sich aneignen kann. Um an den Punkt der Selbstakzeptanz zu gelangen, bedarf es nicht nur der Sicherheit des Partners, es ist vielmehr eine persönliche Haltung, respektive einen Entscheid sich selbst gegenüber. Es ist also völlig egal, in welcher Situation man sich befindet. Man kann diese Erfahrung beim Sex in einer Beziehung, bei einem One-Night-Stand oder aber auch alleine mit sich selbst erleben. Ich kann schlussendlich nur für mich sprechen, aber die Erkenntnisse aus dem Tantra haben mir vieles über mich selbst gelehrt und mein persönliches Sexerlebnis um viele weitere Facetten bereichert. Gönnt euch die Lust, gönnt es euch, vollkommen aus der realen Welt zu treten und euch durch die verschwommenen Weiten treiben zu lassen. Wir alle haben das mehr als verdient – Männer* wie auch Frauen*. Ihr ganz alleine entscheidet, was euer Körper und Geist empfinden kann und was nicht.
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