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Aber wie habt ihr denn Sex?!

Aktualisiert: 16. Juni 2021

Wir von das da unten freuen uns über mitwirkende Gastautor:innen! Mit dem Blog möchten wir eine Platform bieten, auf der persönliche Erlebnisse, Gedanken sowie Ideen ausgetauscht werden. Es kann gut sein, dass wir von das da unten nicht immer der gleichen Meinung, wie unsere Gastautor:innen sind. Solange die Inhalte jedoch nicht diskriminierend sind oder problematische Anregungen schaffen, begrüssen wir einen offenen Diskurs.


Vor meinem ersten Mal mit einer Frau war ich unglaublich viel nervöser als vor meinem ersten Mal mit einem Mann. Warum? Aus zwei Gründen: wegen der Gesellschaft und wegen Angst.

Erstens: Von Frauen wird in unserer Gesellschaft erwartet, dass sie Sex mit Männern haben. Es ist nichts Anrüchiges, sie müssen sich nicht outen, wenn sie es tun, niemand wird sie dafür schräg anschauen oder unangenehme Fragen stellen. (Das passiert eher, wenn sie GAR KEINEN Sex haben. Frag mal eine Person aus dem asexuellen Spektrum). Deshalb lag auf meinem ersten Mal mit einem Mann nur der Druck und meine eigene Aufgeregtheit vor dem ersten Mal. Doch Sex mit einer Frau ist eine andere Liga. Rumknutschen mit Kolleginnen im Ausgang, das ist heiss, aber dass sie dann auch Sex haben? Das machen nur Lesben, und die sind nur in Pornos geil. Kurzer Newsflash: Es gibt imfall unglaublich viele verschiedene Formen von romantischer und/oder sexueller Anziehung und somit auch Labels zwischen homo- und heterosexuell!

Zweitens: Ich war mir lange nicht sicher, ob ich hetero- oder bisexuell bin. (Spoiler Alert: Ich bin queer!). Deshalb machte ich mein erstes Mal mit einer Frau zu einer Art Prüfung, zu einem Experiment, dessen Ausgang mir meine Sexualität ein für alle Mal bestätigen sollte. (Was natürlich absoluter Bullshit ist.) Der unerwünschte Nebeneffekt dieses Drucks war vor allem Angst, die sich logischerweise in riesige Anspannung verwandelte. Entsprechend war mein erstes Mal mit einer Frau vor allem chaotisch und frustrierend. (Mein zweites Mal und viele Male danach waren viel, viel besser.)

Irgendwann in dieser Zeit war ich mir sicher, dass ich bisexuell bin. (Später identifizierte ich mich als lesbisch, und erst seit Kurzem als queer). Mein enges Umfeld nahm diese Information fast durchwegs positiv auf und in mein Hirn lief nur noch auf Regenbogenfrequenz. Ich wurde mutig und selbstbewusst, wie ich es nie für möglich gehalten hätte – so stark hatte ich vor meinem inneren und äusseren Outing immer unterschwellig das Gefühl gehabt, nicht so zu sein wie alle anderen. Nun erzählte ich bei jeder neuen Begegnung innert der ersten halben Stunde, dass ich auch auf Frauen stehe. Auch hier waren viele Reaktionen positiv. Und doch bekam ich ab dann komische Fragen von Leuten gestellt, die ich nicht so gut kannte. Allen voran: «Aber fehlt dir nicht etwas beim Sex?» Was mit «etwas» gemeint ist, ist klar: ein Penis.

Warum das so ist, ist auch klar: Penisse sind so zentral in der gesellschaftlichen Vorstellung von Sex, dass beim Wort «Oralsex» sofort automatisch von Blowjobs ausgegangen wird. Dass Lecktücher praktisch nirgends angeboten werden, während Kondome an jedem Selecta-Automat erhältlich sind und auf Partys sogar gratis verteilt werden. Dass bisexuelle Männer als «heimlich schwul» und bisexuelle Frauen als «eigentlich hetero, aber mit ihr kann man einen Dreier haben» gelten. Weil nur Sex mit Penis wahrer Sex sein kann. Und das muss Frauen ja fehlen, wenn sie mit Frauen schlafen. Logisch, oder?

Erstens: Nein. Zweitens: Einige frauenliebende Frauen stehen auf Penetration, andere nicht. Drittens: Zum Penetrieren braucht es keinen Penis. Ich sage nur: Finger! Sextoys! Viertens: Nicht alle Frauen haben eine Vulva und nicht alle, die eine Vulva haben, sind Frauen. Fünftens, weil diese Frage fast ausschliesslich von Männern kommt: Wenn du deinen Penis für so mächtig hältst, dass Sex ohne ihn nicht gut sein kann, tut mir jede einzelne Frau leid, mit der du je geschlafen hast.

Deshalb: Danke, aber nein danke für diese Frage. Unser Problem sind nicht fehlende Penisse, sondern Vorurteile und Homophobie. Wie wärs, wenn wir mal darüber sprechen?

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