Gespräch mit Anna (16), einer Schülerin.
Wie definierst du weiblich*/Weiblichkeit*?
Für mich ist Weiblichkeit nicht etwas Definierbares, da es so viele Versionen davon gibt. Da wir 7 Billionen einzigartige Menschen auf dieser Welt sind, hat jeder seine eigene Ansicht, was als ‘weiblich’ gilt und was nicht. Ich denke, sobald eine Person für sich selbst entscheidet, dass sie/er weiblich ist, dann ist das so.
Die erste Person, die mir aber einfällt, wenn ich an Weiblichkeit denke, ist meine Mutter, da wir oft darüber reden und wir ähnliche Meinungen dazu haben. Ich selbst fühle mich am stärksten in meiner Weiblichkeit, wenn ich mir meine eigene Meinung bilden und diese auszudrücken kann.
Wann, von wem und unter welchen Umständen wurdest du aufgeklärt?
Ich hatte von klein auf Bücher wie ‘Das bin ich von Kopf bis Fuss’ oder ‘Peter, Ida und Minimum’, also war es mehr ein längerer Prozess als nur eine einzige Schulstunde. Da Kinder viele Fragen stellen, tat ich dies offensichtlich auch über die Bücher, nachdem ich sie gelesen hatte und meine Eltern sind mit dem Thema offen umgegangen und haben mir alles, was ich wissen wollte, beantwortet. Als ich in der Schule aufgeklärt wurde, wusste ich das meiste schon, doch es sind Details dazu gekommen.
Was sollten wir über das weibliche* Geschlecht wissen?
Es kommt in unzähligen Formen, Grössen und Farben vor. Es sollte nicht ein ungeschriebenes Gesetz sein, nicht darüber zu sprechen und es muss nicht immer eine direkte Verbindung zur Weiblichkeit haben.
Welchen Mythen (in Bezug auf Weiblichkeit*/das weibliche* Geschlechtsteil) begegnest du immer wieder?
Das offensichtlichste und krasseste Stereotyp ist denke ich Schwäche (zB.: “Du wirfst wie ein Mädchen”) oder allgemein, dass die Weiblichkeit der Männlichkeit unterlegen ist. Ich finde auch absurd, dass Weiblichkeit oft mit Unschuld verbunden wird und jemand als weniger weiblich angesehen wird, wenn die Person einen Fehler macht. Oft wird Weiblichkeit auch mit Fruchtbarkeit verbunden, was, ohne hier zu schwindeln, eines der ersten Dinge war, die mir in den Sinn kam. Als ich jedoch länger darüber nachdachte, fielen mir viele Argumente dagegen ein und mir wurde klar, dass diese Ansicht problematisch sein kann.
Wie nennst du dein Geschlechtsteil?
Darüber habe ich mir noch nie wirklich Gedanken gemacht.
Welchen Tabuthemen begegnest du in deinem (Berufs)Alltag?
Es gibt viel zu viele. Das, das am häufigsten aufkommt ist die Periode. Viele meiner Freunde verstecken Tampons im Ärmel oder in Hosentaschen, um auf dem Weg zur Toilette keine blöden Blicke zu kriegen. Ein anderes Beispiel dafür ist dass der Vater einer Freundin (ein 52 jähriger Mann, seit 22 Jahren verheiratet) darauf, dass sie schlimme Bauchschmerzen hat, sagt: “Ist es wegen...... du weisst schon was....?”. Ein anderes Tabuthema ist Masturbation bei Frauen, was total sinnlos ist. Oft finden es sogar Frauen selbst unangenehm darüber zu reden, obwohl das vor allem in meinem Alter oft das einzige ist, was Jungs im Kopf haben.
«Das Private ist politisch» – welche Strategien zur Enttabuisierung dieser Themen gibt es/ kennst du?
Ich bin mir nicht sicher, ob viele Firmen oder Politiker diese Gesellschaftsmacken direkt anzielen, aber ich denke trotzdem, dass sich vieles verändert hat in den letzten 50-100 Jahren. Ich glaube auch, dass das Internet einen grossen Unterschied gemacht hat. Wenn man ein Thema enttabuisieren möchte, muss man es ansprechen und Leute finden, die der gleichen Meinung sind und wo kann man das besser als auf dem Internet? Da ich mich sowieso gerne über ‘Tabuthemen’ informiere, sehe ich viele Posts darüber auf Instagram oder anderen Social Media. Aber es wird bemerkbar, dass es auch in ‘mainstream media’ ein grösseres Thema wird und dass die jüngeren Generationen immer lockerer damit umgehen. Das kann an besserer und ausführlicherer Aufklärung liegen oder eben, dass es durch das Internet mehr Möglichkeiten gibt sich auszutauschen. Was die Benennung des weiblichen Geschlechtsteils angeht, davon habe ich ehrlich gesagt bis jetzt erst in Filmen etwas gehört, was ich als Schritt in die richtige Richtung sehe.
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