2020 war für uns alle ein besonderes Jahr. Für mich – neben den allgemein bekannten Gründen – ganz besonders, denn einen grossen Teil dieses Jahres war ich schwanger. Was grossartig war und spannend und oftmals ziemlich anstrengend. Neben allerlei Weh-Wehchen haben auch diverse Kommentare von Menschen zum anstrengenden Teil beigetragen. Natürlich weiss ich, dass die allermeisten davon überhaupt nicht böse gemeint waren – doch wie wir wissen, ist auch der Weg zur Hölle gepflastert mit guten Absichten. Wie immer ist auch alles subjektiv – dennoch habe ich das Gefühl, dass ein bisschen Sensibilisierung in diesem Bereich ganz cool wäre.
«Du hast bisschen zugelegt. Bist du schwanger?» Damit beginnt ja schon das erste Problem. Als Grundregel würde ich festhalten: Frag niemals eine Person, ob sie schwanger ist. Nie. Du weisst einfach nicht, was die Umstände sind – egal, wie’s für dich aussehen mag. Vielleicht hat die Person wirklich nur zugenommen. Oder aber sie ist tatsächlich schwanger, mag es aber noch niemandem sagen. Oder einfach dir noch nicht sagen. Vielleicht hatte sie einen Abort. Oder versucht grad sehnlichst, schwanger zu werden, doch es klappt nicht. Es gibt diverse Gründe, warum das Thema sensibel und emotional aufgeladen sein kann. In jedem Fall ist es sehr persönlich. Daher lieber mal die Neugierde zurückhalten, ganz nach dem Motto: Wenn die Person will, dass du weisst, dass sie schwanger ist, dann wird sie’s dir mitteilen. Zu dem Zeitpunkt, an dem es für sie stimmt.
«Wieviel hast du denn schon zugenommen?»
Aus irgendeinem Grund scheint diese ominöse Zahl plötzlich für alle von unergründlichem Interesse zu sein. Oftmals folgt auf diese Frage sogleich die Beteuerung: «Das wirst du nach der Geburt bestimmt ganz schnell wieder los!» Was mich daran stört ist Folgendes: Das Gewicht und damit der Körper der schwangeren Person wird dabei noch mehr in den Mittelpunkt gestellt, als er ohnehin schon ist. Die Schwangere ist sowieso täglich mit ihrer sich ändernden Körperlichkeit konfrontiert – Kommentare wie diese suggerieren die gesellschaftliche Wichtigkeit des Themas und untermauern das Bild der gebärenden Person, deren wichtigstes Ziel nach der Schwangerschaft sein muss, möglichst schnell in ihre ‘alte Form’ zurückzufinden. Übrigens verschonen einen auch diverse, marktübliche Schwangerschafts-Apps nicht mit solchen Kommentaren. In einer Schweizer App fand ich doch tatsächlich die Bemerkung: «Die meisten Frauen nehmen bei der Geburt um die 7kg ab. Wenigstens etwas, worauf du dich freuen kannst». Ich mein, im Ernst jetzt?!?
Anstatt eine schwangere Person zu fragen, wieviel sie schon zugenommen hat, frag sie doch lieber, wie es ihr geht, wie sie sich fühlt. Oder frag sie etwas ganz anderes, denn ob du’s glaubst oder nicht: Schwangere Personen kennen auch noch andere Themen als ihre Schwangerschaft.
«Wie machst du dies und das?» – gefolgt von «Oh. Das könnte ich nicht!»
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sobald ich ‘offensichtlich’ schwanger war, die Leute gerne ihre eigenen Geschichten (oder die der Coiffeuse ihrer Mutter oder die der Cousine ihrer ehemaligen Nachbarin) erzählen. Meistens fand ich das ganz spannend – es war ja auch für mich das erste Mal und das Thema daher von grossem Interesse. Auch ziemlich persönliche Fragen nach Pränatal Diagnostik, Geburtsort oder Stillen haben mich selten gestört: Ich dachte zwar hin und wieder, dass mir gewisse Fragen nun schon etwas zu privat für Arbeitsplatz-Smalltalk waren – da bin ich aber oft einfach ausgewichen und hab beispielsweise gesagt, dass ich diesbezüglich noch keine Entscheidung getroffen hätte. Fragen ist ja okay! Was hingegen in keinem Fall geht, sind wertende Kommentare wie ‘Oh, echt? Das könnte ich nicht. Das wär mir viel zu… xyz.’ Solche Kommentare habe ich übrigens sowohl von Menschen mit Kindern als auch von solchen ohne gehört – zudem sogar von Menschen, die gar keine Kinder kriegen können.
«Darfst du das überhaupt?»
Diese Frage wurde mir persönlich zu jeglichem Essen, Kaffee, Medikamenten, Fahrradfahren, Masken- oder Nagellacktragen gestellt. Stört mich nicht weiter, wenn es nicht gerade in der Situation geschieht, in der ich die jeweilige Aktion ausführe. Denn auch da weiss ich, dass das meiste aus reinem, nicht böswilligem Interesse gemeint ist. Und es ist ja wirklich nicht einfach, sich um Dschungel des Was-darf-man-überhaupt-noch-tun-in-der-Schwangerschaft zurechtzufinden. Allerdings ist vieles halt Ansichtssache und der aktuelle Forschungsstand ändert sich stetig. Meine Grossmutter beispielweise hielt es für selbstverständlich, mit mir auf meine Schwangerschaft mit einem Glas Sekt anzustossen. Auf meine gerunzelte Stirn erwiderte sie: «Ach, macht man das heute nicht mehr? Ich hab’ in meiner Schwangerschaft regelmässig eins, zwei Gläschen getrunken».
Wenn du also eine schwangere Person etwas tun siehst, das du für kritisch hältst, kannst du davon ausgehen, dass sie sich genügend über den jeweiligen Sachverhalt informiert hat und eine Entscheidung getroffen hat, die für sie stimmt. Kommentare oder Fragen über ihr Verhalten kommen in der Situation kontrollierend rüber und stellen die Entscheidungsfähigkeit der schwangeren Person in Frage. Als Folge hat sie vielleicht das Gefühl, sich für ihre Handlungen rechtfertigen zu müssen. Denk also dran: Egal, was du gelesen hast oder zu wissen glaubst: Der Status der Schwangerschaft hat keinen Einfluss auf das Recht der Person, über ihren eigenen Körper zu entscheiden – also lasse im Zweifel eine Handlung lieber unkommentiert.
«Wow! Bei dir ist es bald so weit, hä!»
Die körperlichen Veränderungen in der Schwangerschaft sind so unterschiedlich, wie Körper selbst. Aus diesem Grund gibt es schlichtweg keine Regel, wie eine schwangere Person zu welchem Stadium der Schwangerschaft aussieht. Dies hängt von diversen Faktoren ab: Genetik, körperliche Prädisposition, allgemeine Gewichtszunahme oder auch, ob es sich um die erste Schwangerschaft handelt. Zudem spielen sowohl Tagesform als auch Kleidungsstil eine grosse Rolle. Aus diesem Grund sind Kommentare über den angeblichen Fortschritt der Schwangerschaft nicht gerechtfertigt und absolut unnötig. Dies gilt übrigens auch für die andere Richtung: «Man sieht dir die Schwangerschaft ja gar nicht an», kann für eine schwangere Person, die sich im fünften Monat sehnlichst einen grösseren Bauch wünscht, ebenso nervig sein wie ein «Wow, bei dir ist es wohl bald soweit!», wenn sie noch Monate auf ihr Kind warten muss.
Eine Schwangerschaft wird von Person zu Person extrem unterschiedlich erlebt: den einen sagt dieser Zustand enorm zu und sie geniessen jede Sekunde, andere leiden regelrecht darunter. Zwischen diesen zwei Enden des Spektrums kommt alles vor. Fakt ist jedoch: Eine Schwangerschaft ist ein körperlicher Ausnahmezustand, mit dem sich die schwangere Person täglich konfrontiert sieht. Mir persönlich wurde in dieser Zeit zum ersten Mal bewusst, wie privilegiert ich früher mit meinem Körper war: mit meinem weissen, gesunden und schlanken Körper erfüllte ich alle Kriterien, um durch das Raster der öffentlichen Aufmerksamkeit zu fallen. Mit einem schwangeren Körper ist dies plötzlich anders: die Menschen starren einen regelrecht an – daran konnte ich mich bis zum Schluss nicht gewöhnen. Plötzlich war ich nicht mehr die Person, die ich vorher war, sondern allem voran «die Schwangere». Dieses Gefühl, auf dieses Attribut reduziert zu werden und die Selbstverständlichkeit, dass das Thema meines Körpers dadurch allzeit zur Diskussion stehen darf, empfand ich als Eingriff in meine Privatsphäre. Und vielleicht veranlasst dieser Text ja einige zu ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl im Umgang mit achtlosen Kommentaren – so gut sie auch gemeint sein mögen.
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