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Ungezähmte Liebe! - Was ist eigentlich ein queer-feministischer Sexshop?

Aktualisiert: 8. Okt. 2020

Interview mit Jessica von untamed.love


Wer steckt hinter untamed.love?

Ich, Jessica, bin ursprünglich Ethnologin und Sozialarbeiterin. Tobias hat Biologie studiert und ein Druckereikollektiv gegründet. Wir kennen uns aus der sexpositiven Szene von Zürich.

Was ist euer Konzept? Was unterscheidet euch von gewöhnlichen Sexshops?

Wir zeichnen uns vor allem durch unsere Haltung und unsere Werte aus. Wir sind sexpositiv, queer, feministisch und bodypositiv. Das bedeuten in erster Linie: Sex soll Spass machen und zwar allen. Konkret heisst das, dass es bei uns keine objektivierenden Bilder gibt und keine einschränkenden Kategorien wie «Frauen», «Männer» und «Paare». Bei uns sollen sich auch Männer mit Vulvas, nicht-binäre Menschen oder Menschen in polyamourösen Beziehungen wohlfühlen. Auf den Bildern, die wir verwenden, versuchen wir Menschen mit unterschiedlichen Körpern, Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen abzubilden.

Unser Sortiment ist kleiner, als das der grossen Anbieter, dafür handverlesen. Wir legen grossen Wert darauf, das alle unsere Produkte body safe, das heisst nicht schädlich für den Körper, sind. Unsere Toys sind aus sicheren Materialien wie medizinisches Silikon, Metall oder Glas. Ausserdem bieten wir Bio Gleitmittel, Produkte aus veganem Leder, fairtrade Kondome und biologisch abbaubaren Glitzer.


Welches Vorurteil über Sextoys muss dringend abgeschafft werden?

Die Meinung, dass Sextoys dann zum Einsatz kommen, wenn etwas auf «normalem» Weg nicht mehr funktioniert. Viele Shops werben mit Slogans wie «Bring wieder Schwung in dein eingeschlafenes Sexleben» und wir hören oft die Aussage «Also ich brauche sowas nicht, bei mir klappt das auch ohne bestens!». Sextoys sollen keine Problemlöser sein, sondern spassige Alternativen. Egal ob alleine oder beim Sex mit Anderen: Sextoys lassen einem experimentieren, erkunden und Neues entdecken. Wer gerne kocht wird auch immer mal wieder ein neues Gewürz ausprobieren – das bedeutet nicht, dass das Essen zuvor fad geschmeckt hat.

Was ist euer Lieblingstool für Menschen mit Vulvas?

Das ist schwierig zu beantworten, da jeder Mensch mit Vulva ganz unterschiedlich ist und andere Vorlieben habt. Nicht alle mögen Penetration, nicht alle mögen Klitorisstimulation. Ich selber liebe Abwechslung, einer meiner Lieblinge ist aber definitiv der Glas Dildo «Champ» von Chrystalino. Er eignet sich dank seinem geschwungenen Kopf und seiner Härte bestens zu Stimulation der G-Fläche. Gut verkauft sich der Satisfyer Pro 2 Next Generation. Er wird äusserlich angewendet und stimuliert die Klitoris mit Druckwellen statt mit Vibrationen. Für zwei Menschen mit Vulvas haben wir tolle Paartoys, wie zum Beispiel Doppelvibratoren der Marke Wet for Her.





Wie lassen sich Praktiken wie BDSM mit feministischem Denken vereinbaren?

BDSM (kurz für Bondage, Discipline, Dominance, Submission, Sado- und Masochismus) bietet die Möglichkeit, verschiedene Rollen in Bezug auf Herrschaft und Unterwerfung zu erkunden. Gespielt wird dabei stets nach dem Motto safe, sane and consensual (sicher, vernünftig und einvernehmlich) und es wird in der Regel ein Safeword verwendet, mit dem alle Beteiligten das Spiel sofort abbrechen können. Selbstbestimmung und das erkunden der eigenen Sexualität stehen bei BDSM somit im Mittelpunkt. Selbstbestimmt sind immer alle Beteiligten, auch die submissive Person: Diese bestimmt im Endeffekt immer, wie weit die dominante Person gehen darf. BDSM bietet also tolle Möglichkeiten in einem achtsamen und konsensuellen Rahmen mit verschiedenen Dynamiken und Empfindungen zu experimentieren und sich selbst sowie das Gegenüber besser kennen zu lernen – und kann somit sehr empowerend wirken. Kink-Shaming (das Verurteilen von Leuten, für ihre sexuellen Vorlieben – z.B. von Frauen, die BDSM praktizieren) hingegen hat in einem sexpositiven Feminismus nichts verloren.


Was bedeutet (Queer)-Feminismus für euch?

Queer-Feminismus bedeutet für uns den Einsatz für die Gleichstellung aller Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen mit dem Augenmerk darauf, dass Frauen und queere Menschen nach wie vor in vielerlei Hinsicht benachteiligt sind. Gerade im Bereich der Sexualität, der reproduktiven Rechte und des sexuellen Konsens gibt es noch viel zu tun.


Was denken eure Eltern von eurem Shop?

Meine Mutter hat bereits bei uns eingekauft. Was verrate ich aber natürlich nicht.


Was bedeutet “sexpositiv” für euch?

Sexpositiv bedeutet, dass alle konsensuellen (einvernehmlichen) sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen okay sind und es kein «richtig» oder «falsch» gibt in Bezug auf Sexualität. Jeder Mensch soll das Recht haben, seine Sexualität selbstbestimmt auszuleben, ohne dafür verurteilt zu werden. Stehst du auf Blümchensex oder magst du BDSM? Willst du ganz viele Menschen küssen oder lieber alleine masturbieren? Nur du entscheidest, wie du deine Sexualität lebst.


Gibt es Tabus für euch?

Ein Tabu ist per Definition eine stillschweigende gesellschaftliche Übereinkunft, dass man über etwas nicht spricht. Da Tabus in der Regel mehr Schaden anrichten, als dass sie Gutes tun, sind wir absolut dafür, jegliche Themen im Bereich Sexualität zu enttabuisieren und offener darüber zu sprechen. Persönliche Grenzen sind dabei natürlich jederzeit zu respektieren: Jede*r entscheidet selber wieviel und mit wem sie*er über die eigene Sexualität spricht.


Was habt ihr nie im Sexualkundeunterricht gelernt?

Oh, so einiges. Dass das weibliche Genital mehr als nur ein Loch ist. Dass auch Männer nicht immer Lust auf Sex haben (müssen). Dass Bisexualität eine sexuelle Orientierung ist und nicht einfach ein Verwirrtsein. Heute ist der Sexualkundeunterricht bestimmt einiges besser – aber es gibt immer noch viel Nachholbedarf. Deshalb freuen wir uns über Initiativen wie "das da unten", die wichtige Aufklärungsarbeit leisten.


Copyright Fotos: untaimed.love Fotograf: André Krysl

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