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Wo bleibt die Kondommama?

Aktualisiert: 16. Juni 2021



 

Wir von das da unten freuen uns über mitwirkende Gastautor:innen! Mit dem Blog möchten wir eine Platform bieten, auf der persönliche Erlebnisse, Gedanken sowie Ideen ausgetauscht werden. Es kann gut sein, dass wir von das da unten nicht immer der gleichen Meinung, wie unsere Gastautor:innen sind. Solange die Inhalte jedoch nicht diskriminierend sind oder problematische Anregungen schaffen, begrüssen wir einen offenen Diskurs.

 

«Hab keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr!» Ich war dafür bekannt, dass ich meinen Freundinnen ins Gewissen geredet habe. «Benutze immer ein Kondom!»

Warum? Ja, weil man das ja so macht. Weil meine Eltern mir das so beigebracht haben, weil die Prävention dir das einbläut. Das ist ja auch gut. Vor HIV, Aids, Chlamydien oder anderen Geschlechtskrankheiten kann man/frau sich nur via Kondom schützen.

Viele meiner Freundinnen haben nicht immer auf mich gehört. Sie schützten sich ja mit der Pille, Spirale oder dem Nuvaring. Schuldbewusst haben sie mich dann angesehen. Oft habe ich mich wie eine Kondommama gefühlt.

Vor ca. 5 Jahren habe ich die Antibabypille abgesetzt und schütze mich seit dem nur noch mit Kondomen. Mein Sexleben würde ich als eher mittelmässig beschreiben. Ich habe Mühe mich gehen zu lassen, bin ab und an etwas verklemmt.

Wie jedes Jahr ging ich auch 2019 zu meiner Frauenärztin für die Jahreskontrolle und den Krebsabstrich. «Wenn etwas nicht in Ordnung sein sollte, melden wir uns bei Ihnen.» Standardsatz. Nie ein Anruf. Abgesehen von diesem Jahr.

Ich sitze in der Schule und auf dem Handydisplay erscheint der Name «Frauenärztin». Sofort schleicht sich ein ungutes Gefühl ein. Das Display wird wieder schwarz. Eine Minute später die Nachricht: «Sie haben eine neue Sprachnachricht.» In der Pause höre ich meine Combox ab. «Kommen Sie in vier Monaten nochmals für einen weiteren Abstrich vorbei.» Weiter nichts. Was ist los? Was ist nicht gut?

Vier Monate später erklärt mir dann die Frauenärztin, dass der Abstrich eine Zellveränderung in meiner Gebärmutter aufgezeigt hat. Ich hätte den HPV Virus. Grund? Ungeschützter Geschlechtsverkehr. Sofort fühle ich mich schuldig. «Ungeschützter Geschlechtsverkehr» wird dir wuchtartig ins Gesicht geklatscht mit dem bitteren Beigeschmack von Scham, Rücksichtslosigkeit und Bestrafung.

Ich sitze vor meiner Frauenärztin auf dem Stuhl und sie erklärt mir, wie das weitere Vorgehen sein wird. «Sie kommen jetzt einfach alle 3-6 Monate zur Kontrolle. Sie müssen sich keine Sorgen machen.» Doch ich frage mich: Wofür werde ich bestraft? Und gleichzeitig denke ich: Das weisst du ganz genau. Du warst unvernünftig. Hast nicht aufgepasst. Hast dich gehen lassen. Hast gedacht: «Scheiss drauf! Es wird schon nichts passieren!»

Ich war im Unrecht.


Habe ich draus gelernt und habe nur noch Sex mit Kondom? Nicht wirklich. Bin ich naiv? Ich denke ja. Aber ich war es leid immer die Vernünftige zu sein. Das falsche Gebiet für Rebellion? Auch hier denke ich: ja.

…Vielleicht bräuchte jetzt ich eine Kondommama, die mir sagt: «Hab keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr!»


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